Dr. Wilhelm Fischer (Universitätsklinikum Ulm, Deutschland) berichtete über das 21. Internationale ALS-Symposium (Dez. 2010, Orlando, USA) sowie allgemeines über Studien und Forschung.
Das ALS-Symposium war wieder in 2 Themenbereiche gegliedert:
A) Grundlagenforschung B) Patientenbezogene, klinische Forschung
ad A) Trotz großer Fortschritte im grundsätzlichen Wissen über die Erkrankung ist ein Durchbruch im Wissen über die Ursachen der Erkrankung nicht absehbar. Was wir bereits wissen: Es kommt vergleichbar zu anderen Erkrankungen des Zentralnervensystems wie zB Alzheimer, Parkinson etc zu pathologischen Eiweißablagerungen in motorischen Nerven- und Gliazellen, die mit der Zeit zum Tod der Zelle führen. Zur Erprobung von neuen chemischen Substanzen hatte man bisher nur genetisch veränderte Mäuse, die an ALS erkrankten. Dieses Modell entspricht nur bedingt der Wirklichkeit.
- der Mensch ist keine Maus
- nur bei 20% aller ALS-Patienten ist dieser Gendefekt nachweisbar
- erst spät nach dem eigentlichen Beginn treten die ersten Anzeichen der Erkrankung auf
Man hat nun ein neues Mausmodell entwickelt, die TDP-43-Maus, das auf einen größeren Prozentsatz der ALS-Patienten zutrifft. Zusätzlich hat man aus Hautzellen von ALS-Patienten erstmals Stammzellen für Nerven- und Gliazellen im Reagenzglas züchten können. Der Vorteil dieser Stammzellen ist die Möglichkeit mehr über den Beginn der Erkrankung zu erfahren, sowie chemische Substanzen sehr früh im Krankheitsverlauf einsetzen und ihre Wirkung beobachten zu können.
ad B) zu den klinischen Studien: Zwei, der in den letzten Jahren erprobten Substanzen zeigten keinen positiven Einfluß auf den Krankheitsverlauf. Die Substanz Dexpramipexol zeigte in einer Phase II Studie einen leichten Trend (16-30%) zur Verlangsamung des Krankheitsverlaufs, sodass eine Phase III-Studie mit 700 Patienten angeschlossen werden soll, der Beginn ist für Juni 2011 geplant (Fa Biogen Idec). Dextromethorphan/Quinidin ist eine weitere Substanz in Erprobung , die vor allem positive Effekte auf die pseudobulbäre Symptomatik zeigte. Einen großen Raum nahm bei der Konferenz auch die Frage ALS und Demenz ein. Die präsentierten Zahlen (-30%) waren Gegenstand heftiger Diskussionen, da die verwendeten Messinstrumente sehr unterschiedlich und damit nicht vergleichbar sind und teilweise nur mangelhaft evaluiert wurden.
Im Anschluss an den interessanten Vortrag gab es viele Fragen.
Eine Frage war nach einem möglichen Einfluß der Ernährung als Ursache für den Krankheitsbeginn. Ein direkter Zusammenhang zwischen Ernährung und Erkrankung ist sicher nicht gegeben, ein höherer BMI (Body-Mass-Index) zeigte in den Studien aber eine günstige Auswirkung auf den Krankheitsverlauf. Die Frage ob Leistungssport ein mögliches Risiko für die Erkrankung darstellt (siehe italienische Fußballmannschaft, Lou Gehrig etc) kann nach dem heutigen Stand der Studien mit Nein beantwortet werden.
Wir möchten uns nochmals bei Dr. Fischer für den interessanten Vortrag und die anschließende lebhafte Diskussion bedanken.
Dr. Wilhelm Fischer ist nach 25-jähriger Tätigkeit in der pharmazeutischen Industrie im Bereich Medizin Anfang der neunziger Jahre auch an der Entwicklung von Riluzol (Rilutek®) für ALS beteiligt gewesen. Seit 2007 ist er als Studienkoordinator bzw. Wissenschaftsmanager an der Neurologischen Universitätsklinik Ulm (Leitung Prof. Ludolf) tätig und seit Mitte der neunziger Jahre in der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (DGM) engagiert, seit Mitte 2008 Mitglied des Bundesvorstands der DGM.